Polenz in der Presse
06.02.2013, 10:18 Uhr Übersicht | Drucken

Polenz im SWR Tagesgespräch zur Islamische Gipfelkonferenz in Kairo

Polenz im SWR2-Interview mit Rudolf Geissler vom Mittwoch, 6.2.

Geissler: Bevor wir zu unserem verabredeten außenpolitischen Thema kommen, erlauben Sie mir kurz, die seit gestern Abend herausragende Schlagzeile in Deutschland anzusprechen. Wie bewerten Sie die Entscheidung, Frau Schavan den Doktortitel abzuerkennen?

Polenz: Nun, das ist eine Entscheidung in einem Fakultätsverfahren, das auch von externen Wissenschaftlern zum Teil scharf kritisiert worden ist. In einem Rechtsstaat kann man diese Entscheidung gerichtlich überprüfen lassen. Wenn Frau Schavan diese Überprüfung anstrebt, dann finde ich, sollte das Ergebnis abgewartet werden, ehe politische Konsequenzen gezogen werden, denn andernfalls hätte eine möglicherweise rechtswidrige Fakultätsentscheidung nicht mehr korrigierbare Folgen.

Geissler: Der Fakultätsrat spricht von „vorsätzlicher Täuschung durch Plagiat“, und wir können vermutlich davon ausgehen, dass da jedes Wort auf die Goldwaage gelegt wurde – schon wegen des Prozessrisikos. Würden Sie einer Bildungsministerin raten, gegen so eine klare Entscheidung zu klagen?S



Polenz: Ich glaube, dass sie es tun wird. Sie hat ja entsprechende Äußerungen schon getan, und wenn sie diese Überprüfung anstrebt, dann, finde ich, sollte man das Ergebnis abwarten.

Geissler: Wann müsste sie Konsequenzen ziehen?

Polenz: Wenn ein Gericht die Entscheidung der Universität Düsseldorf bestätigt.

Geissler: Gut. So viel zu diesem Thema. Dann kommen wir jetzt zur Außenpolitik. Zum ersten Mal seit Jahrzehnten, seit der iranischen Revolution von 1979, hat gestern mit Präsident Achmadinedschad ein Staatsoberhaupt des Iran wieder ägyptischen Boden betreten. Äußerer Anlass ist die Gipfelkonferenz der islamischen Staaten, an der Achmadinedschad teilnimmt. Aber immerhin, der Mann aus Teheran wurde mit Bruderküssen des ägyptischen Präsidenten Mursi empfangen und das hat denn doch gemischte Gefühle ausgelöst. Was meinen Sie, wird das beides überbewertet, sowohl der Besuch als auch die Begrüßung?

Polenz: Also, ich glaube, gemischte Gefühle ist ein guter Begriff, ich denke zum einen, wenn die Ägypter selbst gemischte Gefühle gehabt haben, denn immerhin ist Achmadinedschad Präsident eines Staates, der Demonstrationen, friedliche Demonstrationen, nach der letzten Präsidentschaftswahl im Iran, sehr gewaltsam niedergeschlagen hat. Gemischte Gefühle sicherlich auch im Westen, denn bisher galten Ägypten und Iran als ja nicht sehr freundlich miteinander. Sie haben viele Konflikte, wir kommen da sicherlich auch noch drauf. Und das sieht so aus, als würden beide sich jetzt verbünden. Ich glaube das allerdings nicht. Da würden wir sicher gleich noch etwas dazu sagen. Und drittens, gemischte Gefühle möglicherweise auch bei Achmadinedschad selber, denn bei dem letzten Auftritt von Mursi in Teheran, wo er Syrien sehr scharf kritisiert hat, hat er natürlich Achmadinedschad, der ein Verbündeter von Assad ist, brüskiert. Also, eine sehr zwiespältige Geschichte.

Geissler: In der Syrien-Frage liegen die weit auseinander. Ja, muss das aber so bleiben, oder besteht im Gegenteil das Risiko, dass nach der Normalisierung der bilateralen Beziehungen auch ein außenpolitischer Schulterschluss kommt?

Polenz: Nein, ein Schulterschluss wird nicht kommen. Und die Interessenlagen sind unterschiedlich. Man darf auch die ideologischen Unterschiede nicht vergessen. Mursi gehört den Muslimbrüdern an, das ist eine sunnitische islamische Organisation. Und für die Sunniten sind die Schiiten eine andere Konfession im Islam. Manche sehen die Schiiten sehr, sehr kritisch. Und was Syrien angeht, sind die objektiven Interessen auch sehr unterschiedlich. Allerdings hat Mursi bei seinem Besuch in Berlin bei uns etwa im Auswärtigen Ausschuss auch noch mal unterstrichen, dass nach seiner Auffassung eine Lösung der Syrienfrage nur unter Einbeziehung des Iran möglich ist. Und da hat er wahrscheinlich Recht.

Geissler: Nun hat Achmadinedschad gestern in einem Fernsehinterview vor der Kairo-Visite eine seiner israelfeindlichen Breitseiten losgelassen. Er wünsche sich, sagte er, dass er mal in einem komplett befreiten Jerusalem beten könne. Inwieweit besteht die Gefahr, dass Mursi und die Muslimbrüder in diesem Punkt in den Sog der iranischen Israelpolitik geraten?

Polenz: Es ist ja so, dass die Hamas, die auch den Muslimbrüdern zuzurechnen ist, eine ähnliche Position einnimmt. Sie ist auch vom Iran bisher unterstützt worden, hat sich allerdings vom Iran stärker abgewandt in den letzten Monaten. Die Ägypter haben einen Friedensvertrag mit Israel und zwar mit dem Israel, was in den Grenzen von 1967 diesen Vertrag mit Ägypten geschlossen hat. Und da ist ein Teil Jerusalems Bestandteil Israels. Also, von daher wird es sehr darauf ankommen, ob Mursi, das, was er auch gesagt hat, nämlich, ich will den Friedensvertrag mit Israel einhalten, ich will ihn nicht ändern, ich will ihn nicht kündigen, ob er dazu steht.

Geissler: Glauben Sie, dass er dazu steht?

Polenz: Ja, ich denke das schon. Wir haben ihm bei seinem Besuch in Deutschland sehr, sehr deutlich gemacht, wie wichtig das für jede Zusammenarbeit mit Deutschland und mit Europa ist. Er weiß, dass die Amerikaner darauf drängen, und er ist darauf angewiesen auf die Zusammenarbeit mit dem Westen, wenn er die Forderungen der Revolution nach wirtschaftlicher Erholung des Landes und Jobs erfüllen will.


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