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20.04.2010, 12:13 Uhr
Haiti nach dem Erdbeben
Wie kann man die Millionen-Stadt Port-au-Prince nach dem verheerenden Erdbeben wieder aufbauen? Kann der Wiederaufbau Münsters nach Kriegsende 1945 ein Vorbild sein? Damals lag die Stadt ebenfalls in Trümmern, es wurde sogar erwogen, sie einige Kilometer weiter westlich komplett neu aufzubauen. Ähnliche Überlegungen gibt es in Haiti derzeit auch. Oder fällt die Entscheidung doch für einen Wiederaufbau an gleicher Stelle?

Prof. Joachim Gardemann, erprobter Katastrophenhelfer aus Münster, stellte diese Überlegungen beim ersten Gesprächsabend der neuen Reihe „Hiltrup trifft“ in den Raum. Vor drei Monaten erschütterte das Erdbeben die karibische Insel. Mehr als 220 000 Tote und rund 1,3 Obdachlose lautet die verheerende Zwischenbilanz. „Das Erdbeben hat Haiti so stark getroffen, weil das Land ohnehin schon am Boden lag“, weiß Ingo Radke, Generalsekretär von Malteser International. Haiti galt schon immer als Armenhaus Lateinamerikas.
Über die Zukunft Haitis diskutierten neben Bundestagsmitglied Ruprecht Polenz (M.) Katastrophenhelfer Prof. Dr. Joachim Gardemann (2.v.r), Feuerwehrmann Tim Happel (r.) sowie (v.l.) Moderator Jürgen Ohm, der Generalsekretär von Malteser International Ingo
Münster - Es müsse Ziel des Wiederaufbaus sein, dass das Land besser dastehe als vor der Katastrophe. Dieser Prozess werde Jahre dauern, mahnte der Generalsekretär der Malteser zu Geduld. Radke selbst geht davon aus, dass die Malteser aufgrund der unzureichenden Infrastruktur Haitis sich auf einen Hilfseinsatz drei bis fünf Jahren auf Haiti einstellen müssen. Jürgen Ohm, der die Veranstaltung im Hiltruper Museum ins Leben gerufen hatte und auch moderierte, regte daher an, sich in eineinhalb Jahren in gleicher Runde zusammenzusetzen und wiederum genau hinzuschauen.

Die Hilfsbereitschaft der Deutschen ist enorm gewesen. Nach den USA sind sie das Volk, das am meisten Geld für die Erdbebenopfer gespendet hat. Das Münsterland ist ebenfalls stark engagiert. Allein die große Spendenaktion der Zeitungsgruppe Münsterland / Westfälische Nachrichten gemeinsam mit dem Malteser-Hilfswerk, brachte bislang mehr als 850 000 Euro.

Der Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz (CDU) würdigte in diesem Zusammenhang das Engagement zahlreicher Medien, die Menschen erfolgreich zur Unterstützung von Hilfsaktionen zu bewegen.

Radke wie auch Gardemann betonten, dass es bei den Hilfseinsätzen nicht allein um die reine Katastrophenbewältigung gehe. Die Arbeit der ersten Tage schilderte Tim Habel, Brandmeister der Feuerwehr und ehrenamtlich tätig bei „@fire“. In „starker Mannschaftsleistung“ habe man 133 Lebendrettungen aus den Trümmern gehabt, was für die Motivation enorm wichtig gewesen sei. Joachim Gardemann ergänzte, dass dieses Helfen-Können enorm wichtig sei, um die schrecklichen Bilder überhaupt verarbeiten zu können. Aus der Trauma-Forschung sei bekannt, dass es am schlimmsten sei, „wenn sie zusehen müssen und nichts tun können“. Die Nächte in Port-au-Prince seien daher besonders belastend gewesen, bestätigte Ingo Radke: „Alles stockdunkel, kein Licht - und dann die Schreie der Menschen, die verzweifelt unter den Trümmern liegen.“

Jürgen Peperhowe, Fotograf der Westfälischen Nachrichten, hat Haiti vor gut vier Wochen besucht und brachte eindrucksvolle Bilder und eine Videosequenz mit. Auch er zeigte sich überrascht, dass es nirgends staatliche Hilfe auf Haiti gebe. „Ich habe nur einen Bagger und ein Polizeiauto in Port-au-Prince gesehen, ansonsten ausschließlich Blau-Helm-Soldaten.“ Die Vereinten Nationen werden nach Einschätzung von Ruprecht Polenz eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau spielen müssen. Haiti, das „verflixt schlecht regiert wird“, könne diese Koordination gar nicht leisten. Letztlich müssten die Haitianer selbst entscheiden, ob man die Hauptstadt nach altem Muster wieder aufbaue oder mit den Hilfen im zweistelligen Milliardenbereich seelenlose Betonlandschaften aus dem Boden stampfe. (Text: Wesfälische Nachrichten, MICHAEL GROTTENDIECK)

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