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10.06.2010, 16:50 Uhr | Übersicht | Drucken
Hans-Dietrich Genscher präsentiert Polenz-Buch: "Besser für beide. Die Türkei gehört in die EU"

"Die Türkei gehört in die EU!", fordert Ruprecht Polenz in seinem gleichnamigen, jüngst in der edition Körber-Stiftung erschienenen Buch. Im Gespräch mit dem ehemaligen Außenminister Hans-Dietrich Genscher stellte er im Allianz-Stiftungsforum seinen Standpunkt der Berliner Öffentlichkeit vor. In ihren Begrüßungen erwiesen Hausherr Wolfgang Ischinger und der Vorstand der Körber-Stiftung, Christian Wriedt, dem CDU-Außenpolitiker großen Respekt vor seiner klaren, bewusst Debatten anregenden Haltung. Denn Ruprecht Polenz ist einer der wenigen CDU-Politiker, die sich offen für einen EU-Beitritt der Türkei aussprechen. Anerkennung zollte ihm auch Hans-Dietrich Genscher mit den Worten: "Das Buch ist großartig, es wird zur Klärung und zur Versachlichung der Debatte beitragen. Ich wünsche ihm eine hohe Auflage."



Ruprecht Polenz, Hans-Dietrich Genscher (Fotos: Marc Darchinger)
 

Warum sein Buch gerade jetzt erscheine, wollte er allem voran wissen. Angesichts der aktuellen Nachrichten um den griechischen Staatsbankrott, um Rettungspakete und den Euro-Kurs habe sich auch Polenz zunächst gefragt, ob dies der richtige Zeitpunkt sei, sich mit der Aufnahme der Türkei in die EU zu befassen. »Ja«, antwortete er sich entschieden selbst, denn wir müssten uns gerade jetzt die Frage stellen: »Was bedeutet uns Europa?«. Untrennbar sei damit die Debatte über die Grenzen der Europäischen Union verbunden und die Frage nach der Zugehörigkeit der Türkei.

Dabei stünden wir aber mitten in einem Verhandlungsprozess, dessen Ziel bereits zu Beginn der Verhandlungen eindeutig festgelegt worden sei: der Beitritt der Türkei in die EU. Dieses Ziel nun zu übergehen, sei unseriös. Aus der genaueren kritischen Betrachtung der Gegenargumente sei schließlich sein Buch entstanden. Die Türkei passe kulturell nicht zu Europa, lautet eines der Hauptargumente und meint, ein islamisches Land passe nicht in die EU. Dahinter verberge sich nichts anderes als eine diffuse Furcht vor dem Islam und eine historische Türkenfurcht.

Der Hinweis auf die kulturellen Unterschiede sei von Vorurteilen und Unwissenheit regiert, ergänzte Genscher. Die Art und Weise, wie wir die Beitrittsdebatte führten, stelle auch das Selbstverständnis unserer Kultur in Frage, die sich doch die Offenheit für andere Ideen auf die Fahne schreibe. Die kulturelle Abgrenzung sei ein direkter Widerspruch zur EU als Wertegemeinschaft und als Kulturgemeinschaft. »Wir sind auf mannigfaltige Art verschieden«, lautet hier für Polenz die entscheidende Einsicht, brandgefährlich sei die Überzeugung, der Mensch sei durch seine Religionszugehörigkeit definiert.

Die Voraussetzung für einen Beitritt der Türkei in die EU, so waren sich die beiden Außenpolitiker einig, sei die Erfüllung der bereits festgelegten politischen und wirtschaftlichen Beitrittskriterien: Die institutionelle Stabilität, die demokratische und rechtsstaatliche Ordnung, die Wahrung der Menschenrechte, der Schutz von Minderheiten sowie eine funktionsfähige Marktwirtschaft und die Fähigkeit, dem Wettbewerbsdruck innerhalb des EU-Binnenmarktes standzuhalten.

Bei allen noch bestehenden politischen und wirtschaftlichen Problemen, die zum Teil auch in den anschließenden Publikumsfragen thematisiert wurden, zeigten sich sowohl Genscher als auch Polenz optimistisch. Die Türkei würde zum Zeitpunkt des Beitritts eine andere sein, als sie es heute ist. Dann wäre sie zum Beweis dafür geworden, dass Islam, Demokratie und Rechtsstaat vereinbar sind.





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