Ruprecht Polenz &bsp;
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Polenz in der Presse
22.07.2013, 10:46 Uhr
 
Wie können wir der Politik noch vertrauen?

Ruprecht Polenz antwortet am 20. Juli 2013 im Tagesspiegel auf einen Leserbrief zu NSA: Berichterstattung zur Affäre rund um die NSA

- Unser Vertrauensverhältnis war in den letzten Jahren etwas angeschlagen. Du konzentriertest dich lieber auf deine Doktorarbeit, deinen Urlaub auf Sylt oder die Vernichtung wirklich geheimer Daten wirklich geheimer V-Männer. Warum, konntest du auch nicht so genau erklären. Vielleicht, weil manche Dinge eben lieber geheim bleiben. Das finde ich auch. Deswegen hatte ich trotz alldem immer einen Rest Vertrauen in dich. Du würdest mich schon beschützen, wenn ein anderer was von mir will, was du nicht haben kannst. Oder nicht haben darfst. Weil manche Dinge eben lieber geheim bleiben. Jetzt ist so etwas geschehen.

Du hattest die Chance, alles wieder gutzumachen. Mir zu zeigen, dass du stark bist und wenigstens gegen den Angriff eines Fremden zu mir hältst. Leider tust du das nicht. Du weichst aus mit Floskeln und Phrasen. Du wirkst so gar nicht souverän. Ich denke mir manchmal sogar, dass du etwas davon wusstest. Aber das kann ich natürlich nicht wissen. Leider hat das mein letztes Vertrauen in dich zerstört. Ich kann so nicht mehr mit dir weiterleben. Vielleicht denkst du da ja mal drüber nach ...Paul Bullinger, Berlin-Wilmersdorf -

Ruprecht Polenz: Sie haben sicher vielen aus dem Herzen geschrieben. Was dürfen Sie zu Recht von der Politik erwarten, um wieder Vertrauen zu haben? Wir wollen darauf vertrauen können, dass unsere Privatsphäre geschützt wird, und wir wollen keinen Überwachungsstaat. Wir wollen auch nicht, dass fremde Staaten unsere Privatsphäre ausforschen. Wir erwarten von unserem Staat auch, dass er uns vor Angriffen auf Leib und Leben schützt und unsere Sicherheit gewährleistet.

Nach den Terroranschlägen vom 11.09.2001, denen mehr als 3000 Menschen zum Opfer fielen, wurden nicht nur in den USA Gesetze beschlossen, die künftige Anschläge durch eine bessere Aufklärung verhindern sollten. Eine internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen den Terrorismus wurde verabredet. Sicherheitsbehörden und Geheimdienste erhielten Befugnisse, die sie vorher nicht hatten. Dazu gehörte die Speicherung und Auswertung sogenannter Verbindungsdaten im Internet, aus denen sich ergibt, wer wann mit wem kommuniziert hat.

Der Bundestag hatte zwei Sicherheitspakete verabschiedet, die nach dem damaligen Innenminister Otto Schily benannt wurden. Es kann sein, dass wir unter dem Eindruck der verheerenden Terroranschläge dabei zu weit gegangen sind. Deshalb hat die jetzige Bundesregierung schon vor einiger Zeit eine Kommission eingesetzt, die die Maßnahmen unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten bewerten und gegebenenfalls Änderungsvorschläge machen soll. Die Berichte über Aktivitäten der amerikanischen National Security Agency (NSA) haben zu einer Diskussion darüber geführt, ob deutsche Geheimdienste durch eine Zusammenarbeit mit der NSA Einschränkungen umgehen, denen sie nach deutschem Recht unterliegen.Denn in Deutschland muss für eine konkrete Überwachung von Kommunikationsinhalten eine richterliche Genehmigung für den jeweiligen Einzelfall vorliegen. Außerdem geht es um die gigantischen Speicher- und Überwachungsprogramme der NSA selbst. Auch der britische Geheimdienst ist in die Kritik geraten. Ihm wird vorgeworfen, Überseekabel angezapft zu haben, über die der Internetverkehr zu den Servern in den USA läuft.

In den USA gibt es inzwischen eine Diskussion darüber, ob der sog. "Patriots Act" mit all seinen Ermächtigungen für die Sicherheitsbehörden unverändert fortgelten soll oder ob er nicht zu sehr in Bürger- und Freiheitsrechte eingreift.

Was ist zu tun, um das Vertrauen der Bürger wiederherzustellen, dass der Staat ihre Privatsphäre auch im Internet wirksam schützt - und in welchem Umfang ist dieser Schutz überhaupt zu gewährleisten? Was deutschen Diensten erlaubt ist und was in Deutschland gemacht werden darf, entscheidet der deutsche Gesetzgeber. Hier können wir die notwendige Abwägung zwischen

Sicherheitserfordernissen und Freiheitsgewährleistung öffentlich und nachvollziehbar vornehmen. Dabei muss auch die parlamentarische Kontrolle gestärkt werden. Die Datenschutzverordnung der EU, über die seit längerem diskutiert wird, sollte möglichst rasch verabschiedet werden. Damit wären alle Mitgliedsländer der EU an bestimmte Schutzstandards gebunden.

Länder wie China, Russland oder der Iran überwachen das Internet, um ihre Bürger zu kontrollieren und Opposition zu unterdrücken. Die Lebenserfahrung spricht dafür, dass ihre Ausforschungsprogramme auch anderen Ländern gelten. Davor können wohl nur Verschlüsselungsprogramme einen (relativen) Schutz bieten.

Mit den USA sollte die EU möglichst bald ein Datenschutzabkommen vereinbaren, das beide zu einem wirksamen Schutz der Privatsphäre im Internet verpflichtet. Hier müssten auch den Facebooks, Googles und Amazons dieser Welt Grenzen für den Umgang mit unseren persönlichen und privaten Daten gesetzt werden.

Völkerrechtlich sollte der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (UN-Zivilpakt) um ein Kapitel zum Datenschutz erweitert werden.

 

— Ruprecht Polenz, MdB aus Münster,

Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses