News
07.09.2011, 13:41 Uhr
Haushaltsdebatte: Rede von Ruprecht Polenz zum Etat des Auswärtigen Amtes
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Die Haushaltsdebatte bietet traditionell die Möglichkeit einer Generalaussprache, auch einer Standortbestimmung. Ich denke, dass kein Ereignis in den letzten zehn Jahren die außenpolitische Situation auf der Welt so stark beeinflusst und verändert hat wie der 11. September 2001.

Wir erinnern uns jetzt daran, zehn Jahre, nachdem die Anschläge auf das World Trade Center und auf das Pentagon in Washington eine unglaubliche Sprengkraft entwickelt haben. Die Anschläge selbst und die Reaktionen darauf haben die letzten zehn Jahre weltweit geprägt.
Wir haben heute in einigen Beiträgen wieder über Afghanistan gesprochen. Ich darf daran erinnern: Wenn die Taliban seinerzeit Bin Laden ausgeliefert hätten - das war das Begehren der internationalen Gemeinschaft -, wäre die ganze Entwicklung, auch in Afghanistan, anders verlaufen.

Wir kennen die Geschichte, wir kennen die Opfer, an die wir heute noch einmal erinnert haben, auch die Kosten. Wir sind jetzt, nach zehn Jahren, dabei, uns langsam militärisch aus Afghanistan herauszulösen. Ich halte dabei die Leitlinie „Übergabe in Verantwortung“ für richtig.

Herr Mützenich, deshalb kann man keine Kalenderdaten angeben. Man muss es als einen Prozess mit materiellen Kriterien verstehen; denn sonst wäre es in der Tat verantwortungslos.

Der Außenminister hat zu Recht darauf hingewiesen, dass nach dem Ende des militärischen Engagements mit Kampftruppen weiteres Engagement und weitere Hilfe für Afghanistan nötig sein werden.

Das Ganze wird aber - da sollten wir uns nichts vormachen - nur funktionieren, wenn zwei politische Prozesse, die noch nicht vollendet sind, zum Erfolg führen: zum einen der Prozess in Afghanistan selbst, also die Verständigung der verschiedenen Kräfte innerhalb des Landes, zukünftig in Frieden miteinander auszukommen, zum anderen der regionale Prozess, sodass die Nachbarn Afghanistan nicht länger als ihr Hinterland, als ihr Spielfeld für Machtprojektionen und Furcht voreinander missbrauchen.

Wir haben uns hier viel vorgenommen. Deutschland wird in wenigen Wochen Gastgeber einer weiteren großen Afghanistan-Konferenz sein, wo genau hierfür wichtige Impulse gesetzt werden sollen.

Ich wünsche Ihnen, Herr Außenminister, viel Erfolg bei dieser wichtigen Konferenz. Ich weiß, wie sorgfältig Sie und das Auswärtige Amt diese Konferenz gegenwärtig vorbereiten.

Der 11. September hat auch zum Irakkrieg geführt. Infolge des Irakkrieges kam es zu Machtverschiebungen in der Region mit einer unerwünschten Nebenfolge, nämlich der Stärkung des Iran.

Weil wir lange nicht mehr darüber gesprochen haben, möchte ich heute daran erinnern, dass sich nicht nur die Menschenrechtslage in diesem Land immer weiter verschlechtert hat, sondern dass auch die Bedrohung, die von dem ungebremsten Nuklearprogramm und der ungebremsten ballistischen Raketenrüstung ausgeht, nach wie vor nicht gebannt ist.

Deutschland nimmt zusammen mit den Ländern im Sicherheitsrat nach der Formel „E 3 plus 3“ eine wichtige Funktion wahr. Ich wünsche der Bundesregierung Erfolg, dass man doch noch zu einer Lösung kommt, die die Iraner davon überzeugt, dass der Besitz von Nuklearwaffen, auch von der Kapazität her, nicht ihrer Sicherheit dient und die Region in einen nuklearen Rüstungswettlauf stürzen kann.

Die wichtigste Konsequenz aus den Ereignissen des 11. September ist aus meiner Sicht die weltweite Verdunkelung des Islambildes. Das ging bis in unsere eigenen Debatten hinein, wie die schrecklichen Diskussionen auf dem traurigen Höhepunkt der Sarrazin-Debatte gezeigt haben. Das Miteinander mit den Muslimen ist durch die Verdunkelung des Islambildes vergiftet.

Ich möchte die heutige Debatte zum Anlass nehmen, darauf hinzuweisen, dass wir uns nicht von den falschen Analysen Huntingtons, der schon 1993 über den „Kampf der Kulturen“ geschrieben hat, den Blick auf den arabischen Frühling trüben lassen dürfen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Menschen in Arabien sind für Freiheit, Arbeit und Würde und gegen autoritäre Machthaber und ungerechte Herrschaft auf die Straße gegangen. Bin Laden hat gesagt, wir können ungerechte Herrschaft nur durch Gewalt los werden. Deswegen ist der Erfolg der arabischen Freiheitsbewegung die größte Niederlage für Bin Laden.

(Beifall der Abg. Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) sowie des Abg. Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Deshalb ist es so wichtig, dass diese Bewegung zum Erfolg führt. Das hat auch unmittelbare Bedeutung für die Auseinandersetzung, die wir unter der Überschrift „Kampf gegen den Terrorismus“ geführt haben.

Wir haben im Sicherheitsrat immer wieder Anlauf genommen, um beim Thema Syrien voranzukommen. Dafür möchte ich der Bundesregierung danken. Leider ist ein weiteres Vorgehen an der Haltung Chinas und Russlands gescheitert, aber auch Indien und andere Länder wollten bisher noch nicht einsehen, dass der internationale Druck auf Syrien zunehmen muss.

Ich hoffe, dass von dieser Debatte und der weiteren Politik der Bundesregierung Signale ausgehen, die dazu führen, dass auch die Syrer ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen können. Dann hätten wir einen wichtigen Schritt getan.

Wir werden am Ende der Woche debattieren, welche Chancen es gibt, dass der Prozess zwischen Israelis und Palästinensern vielleicht doch noch vorankommt. Die Bundesregierung treibt das aktiv voran. Ich bedanke mich dafür. Die Generalaussprache hat gezeigt: Deutschland in einem geeinten Europa für den Frieden in der Welt das ist die richtige Leitlinie für die deutsche Außenpolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diese Seite in einem sozialen Netzwerk veröffentlichen:

  • Twitter
  • Facebook
  • MySpace
  • deli.cio.us
  • Digg
  • Folkd
  • Google Bookmarks
  • Yahoo! Bookmarks
  • Windows Live
  • Yigg
  • Linkarena
  • Mister Wong
  • Newsvine
  • reddit
  • StumbleUpon